Broken-Heart-Syndrom / Gebrochenes-Herz-Syndrom– die Korrelation von Herz und Psyche bei Herzkreislauferkrankungen
Fachbeitrag von Dr. med. Sohil Behjati, Kardiologe, Facharztzentrum International, zum Broken-Heart-Syndrom / Tako-Tsubo-Syndrom in der Publikation von Springer „Burnout-Prävention und -Intervention“
Von jeher wird angenommen, dass das Herz stark von Gefühlen und Ängsten beeinflusst wird. Alltägliche Ausdrücke wie ein „gebrochenes Herz“ in Liebesangelegenheiten, das „Herz in die Hose rutschen“, das „Stehenbleiben des Herzens“ oder „zu Tode erschrecken“ in Angstsituationen sind einige Beispiele hierfür.
Wie beschreiben fernöstliche Sprichwörter doch so plastisch: „Kummer unausgesprochen hat schon manches Herz gebrochen“ und „Die Herzen sind so ungleich wie die Gesichter.“
All das legt nahe, dass das Herz und die Psyche unmittelbar zusammenhängen und voneinander beeinflusst werden können.
Autor: Dr. med. Sohil Behjati, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Notfallmedizin
Veröffentlichungsdatum: 11. Mai 2020
Herr Dr. med. Sohil Behjati war 2019 Gründungspartner im Facharztzentrum International. Nach kurzer, schwerer Krankheit ist Herr Dr. Behjati im Jahr 2020 gestorben.
Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (auch Broken-Heart-Syndrom) wird in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert. Das Broken-Heart-Syndrom kann durch starke emotionale oder seltener auch physische Stresssituationen getriggert sein.
Dr. med. Sohil Behjati
Ist Burnout an sich eine Krankheit?
Kardiovaskuläre Erkrankungen, vor allem die koronare Herzkrankheit (KHK), gehören zu den häufigsten somatischen Krankheitsbildern. Sie sind die häufigste Todesursache in den westlichen Industrieländern; ebenso zählen depressive Störungen oder Angststörungen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft.
Broken-Heart-Syndrom – Studienlage
Im Jahre 1997 bereits prognostizierte die Global Burden of Disease-Study von Murray und Kollegen, dass die KHK im Jahre 2020 weltweit die häufigste und die Depression/Angststörung die zweithäufigste Ursache krankheitsbedingter Beeinträchtigung sein werde.
Psychosoziale Faktoren wie z. B. enormer Leistungsdruck, langandauernde psychische Überforderung, prolongierte Angstzustände oder posttraumatische Belastungsstörungen können die Inzidenz und die Prognose von kardiovaskulären Erkrankungen beeinflussen. Diese können somit sowohl Ursache als auch die Folge kardialer Ereignisse sein.
Dies zeigt sich in der Tatsache, dass vermutlich 20 bis 25 Prozent der Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gleichzeitig eine Depression aufweisen. Außerdem erhöhen depressive Erkrankungen nachgewiesenermaßen das kardiovaskuläre Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Die Komorbidität dieser beiden Erkrankungen stellt damit eine große Herausforderung im medizinischen Alltag dar.
Eine Arbeitsgruppe um die Kardiologin Annika Rosengren und Kollegen analysierte im Rahmen der INTERHEART-Studie (Rosengren et al. 2004) bei knapp 25.000 Patienten mit akutem Myokardinfarkt die psychosozialen Faktoren, die mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko in Verbindung standen.
Der psychosoziale Stress wurde mithilfe von Fragen über den Stress während der Arbeit, den Stress zu Hause, den finanziellen Stress und die wichtigsten Ereignissen des letzten Jahres untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass sich psychosoziale Faktoren auf die koronare Herzerkrankung auswirken. In der Literatur wird aber auch von einem Zusammenhang zwischen Angst und kardiovaskulären Erkrankungen auf der einen Seite sowie Angst und Herzrhythmusstörungen auf der anderen Seite berichtet. So konnte die Arbeitsgruppe um Eaker und Kollegen (Eaker et al. 2005) zeigen, dass unter Stress oder Anspannungssituationen das Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln, die Mortalität sowie das Auftreten von Herzrhythmusstörungen wie ein Vorhofflimmern signifikant ansteigen können.
Massivem Stress ausgesetzte oder depressive Patienten zeigen zudem häufig eine veränderte Regulation des autonomen Nervensystems, die sich vor allem in einer Dysbalance zwischen sympathischem und parasympathischem Nervensystem und in einer überschießenden sympathischen Reaktion zeigen kann. So zeigensich bei diesen Patienten eine überdurchschnittliche Prävalenz einer erhöhten Ruheherzfrequenz und ein größerer Herzfrequenzanstieg unter Belastung.
Erläuterung für medizinische Laien: In die Alltagssprache übersetzt: Menschen, die unter massivem Stress stehen oder niedergedrückt sind, wirken auf andere oft wie unter Strom. Sie kommen kaum zur Ruhe, fühlen sich oft wie getrieben. Prävalenz beschreibt die Häufigkeit des Auftretens eines Krankheitsereignisses, bezogen z. B. auf eine Bevölkerungsgruppe.
Broken-Heart-Syndrom wird häufig diagnostiziert
In diesem Zusammenhang ist die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (auch Broken-Heart-Syndrom genannt) in den letzten Jahren ein immer häufiger diagnostiziertes Krankheitsbild. Das Broken-Heart-Syndrom kann durch starke emotionale oder seltener auch physische Stresssituationen getriggert sein. Die Symptome hierbei können denen eines akuten Myokardinfarkts exakt gleichen, allerdings ohne den Nachweis einer relevanten Koronarstenose nach durchgeführter Herzkatheteruntersuchung im Rahmen der Diagnostik.
Erläuterung für medizinische Laien: Der hier beschriebene Stressfaktor führt also zu ähnlichen Symptombildern wie bei einer Verengung von Herzkranzarterien – ohne dass jedoch eine solche Verengung vorliegt. Bei einer Verengung wird ein Stent gesetzt, der die Ader weitet, damit der Blutstrom ungehindert fließen kann.
Diese Entität wurde von den Erstbeschreibern Dote und Sato nach einer traditionellen japanischen Tintenfischfalle, dem Tako-Tsubo, benannt. Diese Falle ist ein Gefäß mit bauchigem Boden und engem Hals und ähnelt der typischen Konfiguration des linken Ventrikels (v. a. des Apex) im akuten Stadium, der sich systolisch in der Bildgebung (Echokardiografie, Ventrikulografie) wie ein Ballon präsentiert, dem so genannten. „apical ballooning“.
Erläuterung: Das Wort Entität steht in diesem Zusammenhang für den Überbegriff eines Phänomens/Symptoms, unter bzw. hinter dem unterschiedliche Ursachen liegen können
Die Mortalitätsrate der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie im Krankenhaus beträgt ca. 2 Prozent und ist damit deutlich geringer als bei einem „echten“ Myokardinfarkt aufgrund einer koronaren, also körperlichen Herzerkrankung.
Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie wird meistens durch eine heftige emotionale oder seltener auch physische Stresssituation ausgelöst. Pathophysiologisch liegt dem eine erhöhte Sympathikusaktivität mit einer überschießenden Katecholaminproduktion zugrunde. Der Katecholaminspiegel im Plasma der Patienten mit einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie kann sogar zwei bis dreimal höher sein als bei einem Vergleichskollektiv mit akutem Herzinfarkt und 7bis 34-fach Mal höher als bei gesunden Personen, wie eine Studie von Wittstein und Kollegen aus dem Jahre 2005 beschreibt.
Hier geht man von einer stressinduzierten Störung der Gefäßendothelfunktion in Verbindung mit transienten Vasospasmen aus, die die koronare Mikrozirkulation signifikant beeinträchtigen kann und somit die Klinik mit Angina pectoris, Labor (erhöhte kardiale Marker), EKG (ST-Streckenveränderungen) sowie Morphologie des Herzens („apical ballooning“) in diesem Rahmen erklärt.
Erläuterung für medizinische Laien: Diese plakative Beschreibung der Psychosomatik ist ein beeindruckender Nachweis dafür, dass der Körper auf wortwörtliche Weise abbildet, was in der Psyche passiert. Es offenbart sich eine signifikante Symptomatik, die nach Veränderung der Lebensumstände auch wieder verschwindet. Denn die Wechselwirkung zwischen Psyche und Soma (Körper) gilt in beide Richtungen. Wie die Psyche unter besonderem Stress ihre Spuren im organischen Herzen hinterlässt, so kann sie das Herz auch kräftigen, wenn der Mensch in seiner Kraft ist.
In der Folge kann die überhöhte Katecholaminproduktion mit der Entstehung von freien Radikalen im Laufe der Metabolisierung zu einer Schädigung von Herzmuskelzellen führen und als Folge inflammatorische Prozesse in Gang setzen, die die kontraktile Dysfunktion des Herzens noch zusätzlich verschlechtern. Die Auslösemechanismen sind aber größtenteils noch nicht bekannt.
Erläuterung für medizinische Laien: Auch wenn die Funktionsweise der Auslösemechanismen nicht bekannt ist, ist ihre Wirkung, also der Effekt an sich, unbestritten vorhanden. Es reicht eigentlich schon, sich vorzustellen, wir hätten es mit einer Black Box zu tun, die auf der gefäßbedingten Ebene das auslöst, was auf der Eingangsseite anliegt. Überforderung oder Ausgeglichenheit, Angst oder zuversichtliche Gelassenheit. Und natürlich alle Mischungen davon, weil wir nie 100 Prozent Angst oder 100 Prozent Zuversicht erleben.